Der Nachbar möchte auf seinem Grundstück im Grenzbereich bauen und braucht dafür eine Baugenehmigung. Bei einem Plausch am Gartenzaun bittet er um eine Unterschrift auf den Unterlagen. Angeblich reine Formsache. Um die gute Nachbarschaft nicht zu belasten, unterschreiben viele Anwohner die Baupläne dann ohne Vorbehalt. Doch Vorsicht! Wer einem Bauvorhaben schriftlich zustimmt, der verliert seine Rechte.
Unser Mitglied Herr E. aus Hessen würde diesen einen Nachmittag gern ungeschehen machen. Den Nachmittag, als er ganz freimütig und ohne groß zu überlegen seine Unterschrift auf die Baupläne seines Nachbarn setzte. Der plante eine Garage zu bauen, bis an die Grundstücksgrenze von Herrn E. Dafür ist eine amtliche Baugenehmigung und die Zustimmung der angrenzenden Eigentümer nötig. Herr E. unterschrieb.
Dann kam der Bagger
Nach der Unterschrift ging alles Schlag auf Schlag. Ohne weitere Ankündigung rückte ein Bagger an und begann mit massiven Erdarbeiten im nachbarschaftlichen Garten. Die breiten Baggerräder malträtierten auch das Grundstück von Herrn E. - Erdreich wurde verdichtet, fruchtbarer Mutterboden umgewälzt, Wurzeln verletzt. Entlang der Grundstücksgrenze ließ der Nachbar das Erdreich bis auf drei Meter Tiefe ausschachten. Ganze drei Monate währte die nachbarschaftliche Baustelle. Als Herr E. angesichts der großen Baustelle protestieren wollte, blieb ihm jedoch keine Möglichkeit.
Kein Einzelfall
Zu spät hat sich unser Mitglied an seinen Landesverband in Hessen gewand. Heinz-Jürgen Quooß, Geschäftsführer im Verband Wohneigentum Hessen weiß, dass dies kein Einzelfall ist. Wer mit einer schnellen Unterschrift eigentlich Probleme vermeiden wollte, beschwöre sie mit dem leichtfertigen Einverständnis oft erst herauf: Nachbarschaftsstreits bis zum Gerichtsverfahren sind vielfach die Folge und eine gravierende Störung des häuslichen Wohlbefindens, das sich meist auf die ganze Familie auswirke.
Folgen der Nachbar-Unterschrift
Der Grund: Die Nachbar-Unterschrift hat weitreichende Rechtsfolgen. "Die Unterschrift des Nachbarn auf einem Bauantrag bescheinigt dem Bauamt, dass der Anwohner die Bauunterlagen gesehen hat und damit einverstanden ist", erklärt Detlef Erm, Rechtsexperte vom Verband Wohneigentum in Dortmund. Auch verzichte der Nachbar dadurch auf sein Recht, sich gegen das Bauvorhaben zu wehren, falls - wie im Fall von Herrn E. - anschließend nachbarschützende Vorschriften verletzt werden. Dies kann zum Beispiel sein, wenn vorgeschriebene Abstände nicht eingehalten werden oder, wenn das Gebot des "Sich-Einfügens" in die bestehende Bebauung verletzt wird. Durch die Unterschrift muss die Baubehörde den Nachbarn auch nicht über die Details einer Baugenehmigung unterrichten.
Fazit: Erst überlegen
"Niemand soll, um den nachbarschaftlichen Frieden zu wahren, leichtfertig seine Zustimmung am Gartenzaun geben", resümiert Detlef Erm. Erst überlegen, dann unterschreiben - das ist das nüchterne Credo des Juristen. Herrn E. hilft dieser Tipp nicht mehr. Für ihn gibt es nur die Chance, dem Bauvorhaben im Nachbargarten im Nachhinein zu widersprechen, wenn er nachweislich getäuscht wurde, betont Rechtsexperte Detlef Erm. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn der Nachbar ihm vor der Unterzeichnung nicht alle Unterlagen und Baupläne vorgelegt hatte.
Tipp: Sich Rat holen
Die Beratungspraxis zeigt, dass viele Hausbesitzer die Konsequenz ihrer Unterschrift auf Bauunterlagen des Nachbarn nicht überschauen können. Detlef Erm rät daher, sich vorher von einem Fachanwalt für Baurecht beraten zu lassen. Auch der Verband Wohneigentum unterstützt seine Mitglieder in solchen Fragen. Soviel vorweg: Wenn der Bauherr vorgeschriebene Grenzabstände unterschreitet, müssen Nachbarn das nicht akzeptieren. Tun sie dies doch, sollten sie sich finanziell entschädigen lassen. Nicht zuletzt, weil das den Wert ihres Grundstücks mindert. Fl