Eltern können ihren Kindern ein selbstbewohntes Familienheim erbschaftsteuerfrei vererben, sofern die Kinder die Immobilie nach dem Erbfall unverzüglich zur Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in zwei Urteilen mit dem Kriterium der Selbstnutzung des Erben befasst.
Im ersten Fall waren Bruder und Schwester je zur Hälfte Miterben ihres Ende 2010 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte ein Zweifamilienhaus, in dem eine Wohnung fremdvermietet und die andere gemeinsam von Vater und Schwester bewohnt worden war. Ein Jahr nach dem Erbfall zog der Bruder in die vormals selbstgenutzte Wohnung ein. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung erhielt er im März 2012 das Alleineigentum an dem Zweifamilienhaus.
Der BFH hat dem Bruder die Steuerbefreiung in vollem Umfang gewährt - auch für den halben Anteil am Haus, den er erst im Rahmen der Erbauseinandersetzung erworben hatte. Laut BFH war der Einzug ein Jahr nach dem Erbfall noch innerhalb angemessener Zeit erfolgt. Die vom Gesetz geforderte unverzügliche Bestimmung zur Selbstnutzung könne auch gegeben sein, wenn die Wohnung erst nach Ablauf von sechs Monaten nach dem Erbfall selbstgenutzt werde. Der Erbe müsse aber nicht zu vertretende Gründe für die verzögerte Selbstnutzung darlegen können (z.B. anhaltende Renovierung wegen gravierender Baumängel).
Steuerlich irrelevant war für den BFH, dass die Erbauseinandersetzung erst über ein Jahr nach dem Erbfall erfolgt war.
Hinweis: Eine verzögerte Selbstnutzung der geerbten Immobilie kann auch anerkannt werden, wenn sich der Einzug wegen der Erbauseinandersetzung verzögert oder noch offene Fragen zum Erbanfall oder zu den begünstigten Erben zu klären sind. Je länger jedoch der Zeitraum zwischen Erbfall und tatsächlichem Einzug ist, umso strenger sind für den Erben die Nachweisvoraussetzungen.
Im zweiten Fall hatte ein Professor von seinem Vater ein Einfamilienhaus geerbt und nach der Renovierung fremdvermietet. Vor dem Finanzamt hatte er die Steuerbefreiung für Familienheime beansprucht. Er gab allerdings an, dass er aufgrund einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Residenzpflicht zwingend in der Nähe seines Arbeitsorts wohnen müsse, der 500 km vom Ort der geerbten Immobilie entfernt liege. Er könne die geerbte Immobilie somit aus objektiv zwingenden Gründen nicht selbst nutzen, so dass ihm die Steuerbefreiung zu gewähren sei.
Der BFH urteilte jedoch, dass die Immobilie nicht erbschaftsteuerfrei vererbt werden konnte. Die in der Befreiungsvorschrift für Familienheime geforderte "Bestimmung zur Selbstnutzung" liegt nur vor, wenn der Erbe die Absicht hat, das Haus selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt.
Hinweis: Die Steuerbefreiung für Familienheime entfällt nachträglich, wenn der Erbe die zunächst erfolgte Selbstnutzung innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall aufgibt. Gibt es dafür jedoch zwingende Gründe, bleibt die Steuerfreiheit erhalten. Diese Ausnahmeregelung kam im Urteilsfall allerdings nicht zur Anwendung, weil sie eine zunächst tatsächlich stattgefundene Selbstnutzung voraussetzt. Der Professor hatte die geerbte Immobilie aber an keinem Tag selbst bewohnt.
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