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Verborgene Gefahren: Giftstoffe in deutschen Fertighäusern der 1960er bis 1990er Jahre

Dieser Ratgeber wurde von Adner & Partner Immobilien geschrieben.

Fertighäuser: Damals top, heute Flop?

Fertighäuser aus den 1960er bis Anfang der 1990er-Jahren hatten aufgrund ihrer schnelleren und günstigeren Bauweise ihren Reiz, doch die technischen und gesundheitlichen Mängel, insbesondere in Bezug auf Schadstoffe, sollten nicht unterschätzt werden. Für potenzielle Käufer ist es ratsam, die Kosten für Sanierung und Schadstoffentfernung genau zu kalkulieren, um langfristig eine sichere und gesunde Wohnumgebung zu gewährleisten.

Fertighäuser aus den 1970er Jahren: Langzeitnutzung und Schadstoffe im Detail

Fertighäuser der 1970er Jahre, darunter die von der Firma OKAL, gelten aus heutiger Sicht oft als Problemfälle im Immobilienmarkt. Der Bau von Fertighäusern boomte in dieser Zeit aufgrund der kurzen Bauzeiten und der geringen Baukosten. Doch diese Vorteile kamen häufig auf Kosten der langfristigen Qualität und vor allem der Gesundheit, was insbesondere durch die Verwendung von schadstoffhaltigen Baumaterialien und einer geringeren Nutzungsdauer im Vergleich zu Massivhäusern zum Tragen kommt.

Fertighausanbieter in Deutschland

In den 1960er bis 1990er Jahren gab es mehrere bedeutende Fertighaushersteller in Deutschland. Hier sind einige der Pioniere aus dieser Zeit:

OKAL (Otto Kreibaum) : Einer der führenden Fertighaushersteller, der in den 1960er Jahren zum größten europäischen Anbieter aufstieg.

Zenker-Hausbau (heute Bien-Zenker): Gegründet von Walter Zenker.

POLA-Fertighaus : Gegründet von Egon Brütsch.

Nordhaus : Gegründet von Alfred Bergstedt.

Hanse : Gegründet von Hermann Wandke.

Huf Haus : Gegründet von Franz Huf.

Neckermann-Streif : Gegründet von Hans Streif.

Hebel-Haus (heute Kampa): Gegründet von Josef Hebel.

Weitere wichtige Anbieter:

Quelle-Fertighaus-GmbH : Ab 1962 bot das Versandhaus Quelle Fertighäuser an.

Kaufhof-Konzern : Vertrieb das Huf Haus.

MAN-Stahlhaus : Produzierte von 1948 bis 1953 Stahlfertighäuser.

Hoesch-Bungalows : In den 1960er Jahren auf dem Markt

Marktführer in den 1970er Jahren:

OKAL : Mit über 4.000 Häusern pro Jahr.

Neckermann-Streif : Mit über 3.000 Häusern pro Jahr.

Fertighaus-Skandal

In den 1970er Jahren gab es einen bedeutenden Skandal in der Fertighausbranche in Deutschland, der die Industrie nachhaltig beeinflusste:

Der Holzschutzmittel-Skandal

Der Hauptskandal betraf die Verwendung von giftigen Holzschutzmitteln in Fertighäusern:

Es wurden PCP- (Pentachlorphenol) und Lindan-haltige Holzschutzmittel eingesetzt. Diese Chemikalien stellen sich später als hochgiftig und gesundheitsschädlich heraus. Die Verwendung dieser Mittel war damals gesetzlich zur Imprägnierung von Spanholzplatten vorgeschrieben.

Auswirkungen und Folgen

Die Chemikalien verursachten einen charakteristischen „Muff“-Geruch in den Häusern. In den 1980er Jahren wurde bekannt, dass diese Stoffe krebserregend und neurotoxisch sind, weshalb sie verboten waren. Der Skandal führte zu einem Imageschaden für die Fertighausbranche. Einige Fertighaushersteller begannen bereits Ende der 1970er Jahre, Lüftungsanlagen in ihre Häuser einzubauen, um die Gase aus der Holzkonstruktion abzuleiten. Trotz des Bekanntwerdens der Gesundheitsrisiken in den 1980er Jahren informierten viele Hersteller ihre Kunden nicht proaktiv über die Problematik. Dieser Skandal hatte langfristige Auswirkungen auf die Fertighausbranche und das Vertrauen der Verbraucher. Er führte zu strengeren Regulierungen und einem erhöhten Bewusstsein für die Verwendung von Chemikalien im Hausbau.

Entwicklung in den 1980er und 1990er Jahren

In den 1980er Jahren erlebte die Fertighausbranche einen Rückschlag, mit einem Marktanteil von nur noch gut 7 Prozent.

Viele Bewohner von Fertighäusern aus dieser Zeit waren jahrzehntelang den giftigen Substanzen ausgesetzt. Die Chemikalien verursachten einen charakteristischen „Muff“-Geruch in den Häusern. In den 1980er Jahren wurde bekannt, dass diese Stoffe krebserregend und neurotoxisch sind, weshalb sie verboten wurden. Der Skandal führte zu einem Imageschaden für die Fertighausbranche.

Schadstoffe in Fertighäusern der 1970er Jahre

Eine der größten Herausforderungen bei Fertighäusern dieser Zeit sind die Schadstoffe, die damals ohne Wissen um ihre gesundheitlichen Risiken verwendet wurden. In Fertighäusern aus den 1970er Jahren sind vor allem folgende Schadstoffe häufig zu finden:

Formaldehyd: In den Holzplatten, die in der Konstruktion der Innenwände verwendet wurden, findet sich oft Formaldehyd. Dieses gasförmige, krebserregende Mittel wurde als Bindemittel in Spanplatten eingesetzt und kann noch Jahrzehnte nach dem Bau freigesetzt werden. Insbesondere bei unzureichender Belüftung erhöht sich die Konzentration dieses Schadstoffs in der Raumluft und stellt ein gesundheitliches Risiko dar​(

Holzschutzmittel (Lindan, PCP): Um die Holzbauteile vor Schädlingen zu schützen, wurden in vielen Häusern Holzschutzmittel verwendet, darunter das gefährliche Lindan und Pentachlorphenol (PCP). Diese Chemikalien sind langlebig und können sich im Hausstaub anreichern, was langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen kann​(

Chloranisole: Diese Verbindungen entstehen als Abbauprodukte von Holzschutzmitteln wie Lindan und sind verantwortlich für den typischen „Fertighausgeruch“. Sie stellen nicht nur ein olfaktorisches Problem dar, sondern können auch auf die allgemeine Schadstoffbelastung hinweisen​.

Asbest: Auch Asbest wurde in den 1970er Jahren in vielen Fertighäusern, einschließlich OKAL-Häusern, verwendet, beispielsweise in Fassadenplatten, Bodenbelägen und als Dichtmaterial. Asbest ist hochgradig krebserregend, insbesondere wenn die Materialien beschädigt sind und die Fasern freigesetzt werden​.

Alte Mineralwolle-Dämmstoffe: Glaswolle, Steinwolle: Ältere Mineralfaserplatten, die bis 1995 verbaut wurden, gelten heute als krebserregend, während die ab 1996 hergestellten Platten den gesetzlichen Normen entsprechen. Fasern aus „alter“ Mineralwolle sind gemäß TRGS 905 als krebserregend eingestuft, während „neue“ Mineralwolle als unbedenklich gilt.

Sanierung von Fertighäusern der 1970er Jahre: Herausforderungen und Lösungen

Die Sanierung eines Fertighauses erfordert eine strukturierte Vorgehensweise, um sowohl die Schadstoffbelastung zu reduzieren als auch die energetische Effizienz zu verbessern. Amnos, ein Spezialist für Fertighaussanierung, beschreibt die wichtigsten Schritte, die notwendig sind, um diese Häuser wieder bewohnbar zu machen:

Entfernung der Asbestplatten: Die Asbestzementplatten der Fassade müssen fachgerecht entfernt und entsorgt werden. Dies ist einer der ersten Schritte, da Asbest in beschädigtem Zustand besonders gefährlich ist​.

Entfernung der Spanplatten und Dämmmaterialien: Die Spanplatten, die Formaldehyd ausgasen, werden ebenso wie die dahinterliegende Dämmung entfernt. Diese ist oft sekundär durch Schadstoffe und Feuchtigkeit belastet.​

Einsatz eines Absorbervlieses: Um Schadstoffe wie Formaldehyd und Chloranisole aus der Luft zu filtern, wird ein spezielles Absorbervlies auf die Holzkonstruktion aufgebracht. Dieses Vlies hilft, Gerüche und Schadstoffe dauerhaft zu binden.​

Neuer Wandaufbau: Nachdem die Schadstoffe entfernt wurden, erfolgt der Wiederaufbau der Wände mit modernen, schadstofffreien Materialien. Die Verwendung von Schafwolldämmplatten und dampfdiffusionsoffenen Holzweichfaserplatten sorgt für eine umweltfreundliche, schadstofffreie und gut gedämmte Fassade​.

Endbeschichtung: Abschließend wird die Fassade mit einem diffusionsoffenen Silikonharzputz versehen, der in verschiedenen Farben gestaltet werden kann​.

Eine umfassende Sanierung ist bei den meisten Fertighäusern aus den 1970er Jahren unverzichtbar, wenn man eine gesundheitlich unbedenkliche Nutzung sicherstellen möchte. Die Schadstoffe, die in den Baumaterialien dieser Zeit verwendet wurden, sind dauerhaft und erfordern fachgerechte Maßnahmen. Durch die richtige Sanierung kann nicht nur die Wohnqualität verbessert werden, sondern auch der Wert der Immobilie erhalten oder gesteigert werden.

Wirtschaftliche Nutzungsdauer im Vergleich zu Massivhäusern

Die Lebensdauer eines Fertighauses hängt von verschiedenen Faktoren wie Bauweise, verwendeten Materialien und der Pflege ab. Ein Massivhaus, das aus Stein, Beton und Ziegeln besteht, hat eine wirtschaftliche Nutzungsdauer 80 Jahren. Fertighäuser, insbesondere solche der 1960er bis 1980er Jahre, haben hingegen eine kürzere Lebensspanne von 60 Jahren.

Bei Fertighäusern aus dieser Zeit wurde oft auf vorgefertigte Holzelemente gesetzt, die anfälliger für Feuchtigkeitsschäden und Schädlingsbefall sind. Ein weiterer Nachteil der frühen Fertighäuser ist die oft schlechte Isolierung und Dämmung, was in Kombination mit veralteten Bauweisen zu Energieverlusten führt. Modernisierungen, wie eine Erneuerung der Dämmung oder der Austausch alter Fenster, sind häufig erforderlich, um den heutigen Standards gerecht zu werden. Im Vergleich zu einem Massivhaus fällt also meist eine umfangreiche Sanierung an, wenn die Gebäude weiterhin bewohnbar bleiben sollen

Wertermittlung von Fertighäusern

Laut der Bewertungsliteratur von Sprengnetter, einem führenden Anbieter für Sachverständigenbewertungen, sind spezifische Anpassungsfaktoren zu berücksichtigen:

Für Fertighäuser in Tafel- bzw. Rahmenbauweise, die vor 1990 errichtet wurden, wird ein Faktor von 0,80 angesetzt.

Für Fertighäuser in gleicher Bauweise nach 1990 beträgt der Faktor 0,90.

Für Fertighäuser in massiver Bauweise vor 1990 gilt ein Faktor von 0,84.

Für massive Fertighäuser nach 1990 wird der Faktor 0,92 verwendet.

Es ist erkennbar, dass der Wert des Gebäudes aus zwei Gründen reduziert wird: Zum einen führt die begrenzte wirtschaftliche Nutzungsdauer von 60 Jahren zu einer verstärkten Wertminderung aufgrund des Alters. Zum anderen resultieren aus den Marktanpassungsfaktoren weitere Abschläge im Wert.

Sanierung oder Abriss?

Eine umfassende Sanierung eines Fertighauses kann sinnvoll sein, wenn die Bausubstanz insgesamt stabil ist und die Sanierungskosten in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Doch in vielen Fällen, insbesondere wenn die Restnutzungsdauer des Gebäudes nur noch gering ist, lohnt sich eine Sanierung finanziell nicht mehr. Die Kosten für Schadstoffbeseitigung, energetische Nachbesserungen und strukturelle Verbesserungen können den Wert der Immobilie schnell übersteigen. In solchen Fällen sollte ernsthaft über einen Abriss und Neubau nachgedacht werden. Ein Abriss ermöglicht es, moderne Bauvorschriften zu erfüllen und langfristig in eine zukunftsfähige Immobilie zu investieren, die den aktuellen energetischen und gesundheitlichen Standards entspricht.

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